Die Geschichte der Harfe

von Petra Roeder

mit einem Exkurs von Jörg Dendl


Inhalt

[Früheste Zeugnisse] [König David und die Harfe] [Die Antike] [Das Mittelalter]


Eine spannende Laufbahn durchlief die Harfe, das Instrument des biblischen Königs David. Die Harfe ist durch die Jahrtausende immer von einem merkwürdigen Flimmer von Transzendenz begleitet. Gleichgültig, in welcher Zeit sie betrachtet wird, wird ihr Klang als Magie göttlicher, dämonischer, natürlicher und übernatürlicher Mächte gedeutet. Mit der fünfsaitigen Kantele meistert der finnische Gott Wäinämoinen die Weltschöpfung; mit der Harfe geht David zu Saul, der von einem bösen Geist gequält wird, und noch im 19. Jahrhundert ist der Kunstliebhaber der Meinung, daß rauschende Harfenarpeggien das Böse vernichten und die Menschen von Sorgen und ängsten erlösen können.
Die älteste Harfe könnte, wenn es sich nicht um einen Jagdbogen handelt, um 30.000 v. Chr. gespielt worden sein. Etwas umstritten ist die Felszeichnung in einer Höhle bei Ariége (diese Höhle war zeitgleich zu Lascaux und Altamira bewohnt). Daß es eine Harfe ist, ist durchaus denkbar, denn der Meinung der Musikwissenschaftlerin Roslyn Rensch folgend kann jeder Mensch, der den Bogen zum Jagen kennt, diesen zu einem Saiteninstrument entwickeln. Tatsächlich kennen Kulturen ohne Pfeil und Bogen auch die Harfe oder andere Saiteninstrumente nicht. Dessen ungeachtet, ob in Ariège eine Harfe abgebildet ist oder nicht, ist sie eines der ältesten Instrumente, die sich bis in unsere Zeit erhalten haben. Vielleicht hat die lange Lebenszeit die Bindung an Magie und Transzendenz bewirkt.

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Exkurs: Die Harfe und König David

Nach den Überlieferungen des Alten Testaments hat die Harfe mit König David den einen königlichen Interpreten.
In der Bibel ist die Harfe unter dem Namen "Kinnor" genannt. Der Stammvater aller Harfen- und Flötenspieler war nach Gen 4, 21 Jubal, der Sohn Lamechs. Daß dem Instrument ein solches Alter zugesprochen wurde, ja daß es die Autoren überhaupt für nötig befanden, sie im Zusammenhang mit der Menschheitsgeschichte zu erwähnen, bezeugt die Wertstellung der Harfe im Alten Israel. So diente die Harfe nicht nur der Unterhaltungsmusik, sondern begleitete Prophezeiungen (1Chr 25, 1) und fand auch im Tempel Verwendung (1Chr 15, 16; 2Chr 5,12 u.a.).
So ist es nicht verwunderlich, wenn König Davids Harfenspiel im Alten Testament ausdrücklich erwähnt wird. Als König Saul, von dem Gott sich abgewandt hatte, immer wieder von einem bösen Geist geplagt wurde, wurde ihm geraten, jemanden zu suchen, der dann die Harfe spielen würde. Hier ist deutlich zu sehen, daß man in dieser Zeit der Harfenmusik die Kraft zuschrieb, Geister zu vertreiben. In Sauls Auftrag holte man David, schon längst durch Waffentaten berühmt, vom Hof seines Vaters. Das Harfenspiel zeigte gute Wirkung; wenn David für den geplagten König spielte, verließ diesen der böse Geist. Ganz ungefährlich war diese Aufgabe allerdings nicht. So versuchte Saul, aufgepeitscht durch die Eifersucht auf Davids militärische Erfolge, diesen mit einem Spieß zu töten, gerade als er zur Beruhigung des Königs spielte. Er verfehlte David zweimal. Um ihn in den Tod zu schicken, machte er ihn zum Hauptmann und hoffte darauf, er würde im Kampf gegen die Philister fallen.
Als nach langen Kämpfen David das Haus Sauls überwunden hatte, war er auch als nun angesehener Heerführer und späterer König noch der Musik zugeneigt. Sein Harfenspiel wird in späteren Episoden aus seinem Leben nicht mehr erwähnt, aber von den insgesamt 150 Psalmen werden ganze 73 David zugeschrieben. Es handelt sich bei diesen Texten, was an den Inhalten ablesbar ist, größtenteils um Lieder der Zeit nach dem Exil, doch die Zuschreibung an David zeigt die schon damals gepflegte Verehrung des Königs als Patron der Musik. Es ist kaum eine Frage, ob der historische David ein Harfenspieler, Dichter und Sänger war. In der hebräischen Gesellschaft schadete dies nicht dem Ansehen der Person. Und so wird die Überlieferung, die König David so darstellt, zweifellos einen wahren Kern haben.

Jörg Dendl

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Ob die antiken Harfen zuerst in Ägypten oder Sumer auftraten, läßt sich nicht mehr rekonstruieren. Durch viele Zeichnungen überliefert sind die Formen und Größen der antiken Harfe. Sie ist fünf- bis sechzehnsaitig und bogenförmig oder dreieckig. Die Größe bewegt sich zwischen unterarmgroß und mannshoch, ihr Resonanzkörper ist meist an der zum Boden gerichteten Seite. Zwar finden sich auch einzelne Spielerinnen, Priesterinnen und Adelige, vorwiegend ist die Harfe aber das Instrument der Männer. Die griechische Harfe der Antike wird unter dem Sammelnamen Pektis geführt, viele der Harfenarten (Sambyke, Trigonon, Psalterion, Magadis, Nablium u.a.) sind nur fragmentarisch beschrieben und in poetischen Werken überhaupt erwähnt, damit besteht bei vielen Harfenarten Unsicherheit. In der Antike war die Harfe als verweichlichend verpönt, gespielt wurde sie meist von Frauen und nur mit den lasziven Modi der griechischen Musik als Hintergrundgestaltung bei Trinkgelagen und erotischen Spielen. Von der Magadis ist als einzigem antikem Instrument bekannt, daß darauf eine Oktave spielbar ist. Von der Magadis leitet Aristoteles das Singen im Oktavabstand ab.
Mit der Völkerwanderung enden die Aufzeichnungen über Bau und Nutzung der Harfe, auch hier klafft eine etwa dreihundertjährige Lücke, die sich um 800 n. Chr. erst wieder mit dem Utrechter Psalmarum schließt. Interessanterweise hat sich auf den Abbildungen im Utrechter Psalmarum der Corpus merklich geändert, nun hat das Instrument einen mehr oder weniger breiten Resonanzkörper, dem Spieler zugewandt, und einen Stamm. Der Tonumfang weist bis zu drei Oktaven auf, abhängig von der Größe des Corpus. In den Westen gebracht worden ist die Harfe von der Völkerwanderung, maßgeblich von den Normannen bzw. Wikingern und den Angelsachsen. Vielleicht auch hatten syrische Mönche, die Irland missioniert haben, dem Westen ein neues Kulturgut gebracht.
Das Wort harpa, harfe, hearp etc. taucht zum ersten Mal in den Sagenbüchern der nordisch-skandinavischen Völker auf, in der Norse Saga, der Volsunga Saga und v.a . im Beowulf. Und auch hier ist der Harfenklang ein Schutzschild gegen böse Mächte.

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Relief
                      einer Harfe in St. Nicholas (Aberdeen, Alba)
                      12./13. Jhd.
Relief mit Darstellung einer Harfe
12./13. Jahrhundert
St. Nicholas, Aberdeen (Alba)
Die profane Musik des Mittelalters nutzte die Harfe gerne, kein Barde oder Troubadour ist ohne dieses Instrument denkbar. In einigen Volksmusiken hat sie sich bis heute erhalten. In der christlichen Rezeption des Mittelalters ist die Harfe ein rein göttliches Instrument, den ungezählten Nennungen in den Psalmen folgend, wo die Harfe zum Lob Gottes gebraucht wird, und der Personenkonstellation David-Saul entsprechend: hier der gesalbte David mit der Harfe und der Unschuld, dort der gesalbte und verworfene Saul mit mit Speer und Schwert. Auch Tiere an der Harfe spielen in der mittelalterlichen Symbolik eine große Rolle. Bekannt sind Esel, Affen und Löwen, jedes Tier hat seine eigene Bedeutung: der Esel hört zwar Gottes Wort, geht aber stur seinen eigenen Weg und verfehlt damit das Ziel, der Affe ist das Sinnbild des Unmündigen, den Gott sich zum Lob eingesetzt hat, und der Löwe ist der König aus Juda, der Israel das Heil bringt.
Anders als die Orgel hat sich die Harfe nach dem Mittelalter nicht bei christlichen Feierlichkeiten erhalten, sondern ist fast ausschließlich in den profanen Bereich zurückgewechselt. Gebaut wurde sie nun als Hakenharfe und schließlich als Doppelpedalharfe, beides für das chromatische Spielen unabdingbar. Die nun einsetzende Rezeption ist ein merkwürdiger Mischmasch aus hellenistischem und frühantikem Verständnis: die Harfe ist das Instrument für die Dekadenz, Ausschweifung und Weichheit, das zusätzlich aber auch magische und götterbeschwörende Bedeutung hat. Und noch ein wesentlicher Umschwung hat stattgefunden: war bis ins Mittelalter hinein die Harfe das Instrument des Mannes, abgesehen von der griechischen Harfe, spielten jetzt v.a. Frauen darauf. Auch das 20. Jahrhundert hat daran bislang nichts geändert.

Petra Roeder

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Mehr zur Musikgeschichte von Petra Roeder:

Saxa et Libri, Bd. 10: Musik im Mittelalter

 
 
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