Die Geschichte der Orgel

von Petra Roeder

Letztes Update: 13. November 2011


Seit der hellenistischen Antike ist die Orgel als "Positiv" mit etwa 55 Pfeifen, einmanualig und mit einem Tonumfang von etwas mehr als zwei Oktaven (bis 19 Tönen) bekannt. Eingesetzt wurde sie im Theater, im Circus und bei allen Großveranstaltungen der Antike. Ktesibios von Alexandria (3. Jhd. v. Chr.) und Archimedes von Syrakus (289-212 v. Chr.) sollen die Orgel nach dem Vorbild der "Panpfeife" (Syrinx) entwickelt haben. Das griechische Wort organon ist die bekannteste Bezeichnung; aufgrund des wasserbetriebenen Werks wurde ihr auch der Name hydraulis beigegeben. Gestimmt war diese nach den griechischen Modi.
Durch die Völkerwanderung, spätestens aber 476 n. Chr. mit dem Untergang des Weströmischen Reiches, geriet die Orgel im Westen zunächst in Vergessenheit und wurde von den Kirchoberen auch strikt abgelehnt, da in den Theatern und im Circus ein von den Christen abzulehnender Kult zelebriert worden war. Im noch bestehenden Oströmischen Reich blieb die Orgel erhalten, allerdings auch dort aus dem sakralen Bereich verbannt. Aus den gleichen Gründen wie in der frühen Lateinischen Kirche lehnt die Ostkirche die Orgel bis heute ab. 

Erst im Jahr 757 kam durch eine Schenkung Kaiser Konstantins V. Kopronymos an Pipin den Kleinen die Orgel wieder in den Westen. Der Frankenkönig ließ diese Orgel in der Kirche in Compiègne (an der Oise in Franzien) aufstellen und es kam davon ausgegangen werden, daß von diesem Zeitpunkt an die Orgel den christlichen Gottesdienst zu erobern begann. Belegt ist dies allerdings erst für Karl den Großen, der 812 von Kaiser Michael I. Rhangabe ebenfalls eine Orgel als Geschenk erhielt und diese im Aachener Dom aufstellen ließ. Nach dieser zweiten Orgelschenkung fand der Orgelbau und der Gebrauch des Instruments flächendeckende Verbreitung, vor allem bei christlichen Feierlichkeiten. Aber nicht nur im sakralen Bereich eroberte die Orgel die Musik. Fahrende Spielleute nutzten das Portativ, eine kleine, tragbare Orgel mit wenigen Pfeifen und einem Tonumfang von etwa einer Oktave. Das Positiv war sehr beliebt in Palästen und Villen reicher Kaufleute. Genutzt wurde auch das Regal, eine Orgel mit sehr wenigen Pfeifen und geringstem Tonumfang, so klein gebaut, daß es in einem gut tragbaren Kasten in Koffergröße transportiert werden konnte. Die Stimmung der mittelalterlichen Orgeln entsprach den Kirchenmodi. 

Den durchschlagendsten Erfolg aber hatte die Orgel in der Nutzung im sakralen Bereich. Selbst bei Prozessionen konnte das Portativ mitgetragen oder -gefahren werden. Ab der frühen mehrstimmigen Musik, die in der musica enchiriadis gelehrt wird, war der Kirchengesang mit großer Wahrscheinlichkeit von der Orgel begleitet worden. Weshalb dieser erstaunlich rasch erfolgte Durchbruch diesem Instrument vor allem in der Kirche gelang, bleibt ungeklärt. Immerhin warn im antiken Circus viele der Kirchenheiligen vermutlich unter Orgelklängen gestorben. 

Im 15. Jahrhundert entwickelte sich die uns bekannte mehrmanualige und mit vielen Pfeifen versehene Orgel mit breitem Klangspektrum und wohltemperiert gestimmt, für die von großen Meistern des 16. bis 20. Jahrhunderts bedeutende Werke komponiert wurden.

Petra Roeder

Der aktuelle Titel von Petra Roeder:

Saxa et Libri, Bd. 10: Musik im Mittelalter

 
 
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