Die Schlacht bei Tannenberg (1410)
Vorgeschichte und Folgen
von Jörg Dendl
[Update: 23. Juli 2009]

  
Inhalt
Vorgeschichte 10.05.2004
Die Schlacht 10.05.2004
Folgen 10.05.2004
Schluss 10.05.2004
Literatur 10.05.2004
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Die Vorgeschichte der Schlacht

Die Geschichte ist nicht zusammengesetzt aus Einzelereignissen, das scheint nur so, sondern ist ein fortlaufender Prozess. Dabei spielen allerdings punktuelle Ereignisse, die den Raum eines Tages, ja weniger Stunden, bis hinab zu wenigen Augenblicken einnehmen können, für den Betrachter eine große Rolle. Wenn auch das markante Einzelereignis, eine Entdeckung, eine Schlacht, ein Attentat, als ein Fanal aus der Geschichte heraussticht, erscheint es nur als losgelöst von seiner historischen Einbettung, tatsächlich gibt es immer einen Weg hin zu diesem Ereignis - und es gibt eine Geschichte der Folgen.

Ebenso ist es mit der Schlacht bei Tannenberg im Jahr 1410. Sie markiert den Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen dem Königreich Polen und dem Deutschen Orden; ob sie wirklich ein Wendepunkt in der Geschichte war, wird sich zeigen müssen. Bevor ich zur Schilderung der Schlacht selbst komme, ist es daher notwendig, die vorausgehenden Entwicklungen zu betrachten, die in der militärischen Konfrontation gipfelten.

Im Jahr 1308 hatte der Deutsche Orden Danzig erobert und in der Folge den Nordteil Pommerellens besetzt, das seit jeher die Begehrlichkeit des Ordens geweckt hatte. Brandenburg und Polen lagen um den Besitz Pommerellens im Streit und nach den ersten militärischen Erfolgen gegen die Polen, denen aber erfolglose Verhandlungen folgten, gestand der Orden Brandenburg die "besseren Rechte" an Pommerellen zu. Diese Rechte wurden den Brandenburgern für 10.000 Brandenburgische Mark abgekauft. Damit gehörte Pommerellen bis auf den westlichen Teil dem Deutschen Orden. Den Erfolg dieser Transaktion besiegelte der Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen mit der Verlegung des Hochmeistersitzes von Venedig, wo die Residenz des Deutschen Ordens seit 1291 war, nach Marienburg. Kaiser Heinrich VII. bestätigte noch im Jahr 1309 die mit dem Brandenburger Markgrafen getroffenen Vereinbarungen. Auch wenn die so geschaffene Rechtsgrundlage der Herrschaft des Ordens über Pommerellen nur auf schwachen Füßen stand, konnte er sich doch seines neuen Besitzes sicher sein, solange die militärische Überlegenheit gewährleistet war. Mit der Besetzung Pommerellens hatte sich der Orden allerdings einen Konfliktherd geschaffen, der bei der Wiedererstarkung Polens im Lauf der Zeit zu einer schweren Auseinandersetzung führen mußte.

Dabei hatte der Deutsche Orden am Beginn des 14. Jahrhunderts einen schweren Stand, was durch sein Vorgehen bei der Eroberung Pommerellens noch verschärft wurde. König Philipp IV. von Frankreich hatte im Jahr 1307 mit der Verhaftung der Templer vorgemacht, wie gegen einen unliebsam gewordenen Ritterorden vorgegangen werden konnte. Und der Deutsche Orden hatte ein solches Vorgehen ebenfalls zu fürchten. Vorwürfe gab es genug. So wurde der Deutschen Orden von Erzbischof Friedrich von Riga wegen des Vorgehens gegen seine Stadt und das in Danzig bei der Eroberung angerichtete Blutbad beim Papst angeklagt. Clemens V. setzte aufgrund dieser Anklage im Jahr 1310 eine Untersuchungskommission ein. Vor diesem Hintergrund ist auch die Verlegung des Ordenssitzes auf die Marienburg, in das eigene Territorium des Ordens, zu sehen. Doch dem Deutschen Orden war, sicherlich durch seine territoriale Ausnahmesituation, mehr Glück beschieden als den Templern. Der Prozess mit dem Erzbischof von Riga zog sich hin, so dass man auf bessere Zeiten warten konnte. Als schließlich Johann von Luxemburg den Thron Böhmens bestieg und Ansprüche auf die polnische Krone anmeldete, stand Polen zwischen zwei Fronten: dem Orden und Johann von Böhmen. Die völlige Umschließung Polens gelang, als Kaiser Ludwig der Bayer die heimgefallene Mark Brandenburg seinem eigenen Sohn Ludwig gab. Der Orden hatte dem Vater seine Unterstützung im Kampf um die Kaiserkrone gewährt, nun fand er im Sohn einen Verbündeten gegen Polen. Polen war in dieser Zeit weitgehend isoliert, allein zum päpstlichen Stuhl bestanden Verbindungen, doch konnte der Deutsche Orden die Forderungen des Papstes befriedigen. Eine Klage am päpstlichen Hof wegen der Besetzung Pommerellens, die Bischof Gerward, dessen Diözese finanziell stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, einreichte, führte schließlich zu einem Prozess. Das Urteil der Richter lautete auf Herausgabe Pommerellens und Zahlung von 30.000 polnischen Mark Prozesskosten. Am Ende wurde das Urteil wieder aufgehoben, nachdem der Deutsche Orden interveniert hatte.

Militärisch konnte Polen nicht auf einen Erfolg hoffen, so suchte der polnische König Wladyslaw Verbündete. Diese fand er in Litauen. Hier lebten noch immer Heiden, weshalb das Land immer von Einfällen der Ordensritter bedroht war. Insbesondere die Landschaft Schamaiten hatte das Interesse des Ordens geweckt. So schloß Fürst Gedimin von Litauen ein Angriffs- und Verteidigungsbündnis mit König Wladyslaw, dessen Sohn Kasimir er seine Tochter zur Frau gab. Mit dem Ende des Waffenstillstandsvertrages zwischen Gedimin und dem Deutschen Orden im Jahr 1327 trat der Vertrag zwischen Polen und Litauen in Kraft. In den folgenden Jahren wechselte das Kriegsglück, doch konnte sich schließlich der Deutsche Orden wieder einmal durchsetzen und im Jahr 1332 Kujawien erobern, was für Polen hinsichtlich der Wiedererlangung Pommerellens ungünstig war. Als König Wladyslaw Ellenlang im Jahr darauf starb, war nichts erreicht. Der Deutsche Orden hatte durch seine militärische Überlegenheit das Feld behauptet. Erneut wurde ein Prozess gegen den Orden angestrengt, um die Frage diplomatisch zu lösen. Am 4. Februar 1339 wurde er eröffnete. Die Aussagen von 126 polnischen Zeugen bestätigten die Vorwürfe gegen die Deutschordensritter. Wenn aber auch die päpstlichen Richter in ihrem Urteil nicht nur die Herausgabe Pommerellens, sondern auch des inzwischen eroberten Kujawien und des Dobriner Landes an Polen forderten, so führte das nicht zu einem Nachgeben de Ordens. Es folgte die Berufung in Avignon, dem Sitz des Papstes. Papst Benedikt XII. erhielt das Urteil nicht aufrecht. Schließlich verzichtete im Vertrag von Kalisch im Jahr 1343 der neue polnische König Kasimir gegen die Herausgabe von Kujawien und des Dobriner Landes auf Pommerellen.

Das 14. Jahrhundert sah den Deutschen Orden auf dem Höhepunkt seiner Macht. Wenn aber auch der Reichtum und damit das Wirtschaftspotential des Ordens zunahm, so begann doch die Krise im Inneren. Als "Spital des deutschen Adels" wurde der Orden zur Versorgungsinstitution der verarmten deutschen Ritterschaft. Das Ordensleben verweltlichte. Vor diesem Hintergrund sind auch die Expansionsbestrebungen des Deutschen Ordens zu sehen. Es sollte eine Landverbindung nach Livland geschaffen werden, wozu Schamaiten in das Ordensland eingegliedert werden mußte. Riga war seit 1330 vom Deutschen Orden abhängig, das nördliche Estland wurde 1346 übernommen. Nachdem durch den Abschluß des Vertrags von Kalisch die Pommerellen-Frage zunächst geklärt war, konnte sich der Orden seinen Bestrebungen in Litauen zuwenden.

Von 1344 an wurden alljährlich Kriegszüge in das litauische Gebiet unternommen. Doch der Widerstand der Litauer ließ bis 1360 keine wirklichen Erfolge zu. Deshalb wurden die Angriffe noch verstärkt, was Verwüstungen in den zentrallitauischen Landschaften zur Folge hatte, auch das Grenzgebiet Schamaitens und an der Memel war betroffen. Als die Litauer im Gegenzug 1370 in das Samland einmarschierten, erlitten sie in der Schlacht bei Rudau eine Niederlage. Die ohne Unterlaß weiterhin durchgeführten Feldzüge des Ordens nach Litauen zeigten nach und nach Wirkung. Die Selbständigkeit Litauens war nun bedroht. Fürst Jagiello nahm deshalb Verhandlungen mit dem Deutschen Orden auf und schloß im Jahr 1380 einen Friedensvertrag. Und endlich, zwei Jahre darauf, erhielt der Deutsche Orden im Vertrag von Dubissa Schamaiten sowie das Versprechen, Litauen Christianisieren zu dürfen.

Doch die Litauer fühlten sich an diesen in der Not geschlossenen Vertrag nicht gebunden. Jagiello suchte Hilfe bei den Russen, was allerdings zunächst nur wieder Angriffe des Deutschen Ordens auf Wilna und Traken zur Folge hatte. Der eigentliche Umschwung kam im Jahr 1384. Witold, ein Neffe Jagiellos, der sich zunächst dem Deutschen Orden unterworfen hatte, wandte sich wieder Litauen zu und zerstörte die Burgen des Ordens in Schamaiten. Jagiello trat nun in Verhandlungen mit Polen ein, die ihm die Taufe nach dem Ritus der Katholische Kirche, die Ehe mit Hedwig von Anjou und im Jahr 1386 die polnische Königskrone einbrachten. Litauen war nun ein christliches Land, vereint mit Polen und dem Zugriff des Deutschen Ordens entzogen. Damit verlor der Deutsche Orden aber seine Existenzberechtigung, immerhin hatte sein beständiger Kampf der Niederwerfung der letzten Heiden Europas und deren Christianisierung gegolten. Diese Aufgabe fiel nun weg. Verzweifelt sind die Bemühungen zu nennen, die der Orden in der Folgezeit entwickelte, um die zwischen Litauen und Polen getroffenen Vereinbarungen unglaubwürdig zu machen und seine eigenen Ansprüche auf das alleinige Recht, Litauen zu bekehren, herauszustreichen. Die Kurie untersagte dem Orden schließlich im Jahr 1403 ein weiteres militärisches Vorgehen gegen Litauen, das er nach 1386 weiter fortgesetzt hatte. Letzte Bemühungen galten dem wieder von Jagiello abgefallenen Witold, der sich aber 1392 erneut mit dem polnischen König aussöhnte, wofür er die Regentschaft über Litauen erhielt. Dessen Bemühungen, Litauen von Polen unabhängig zu machen, wurden aber weiterhin vom Deutschen Orden unterstützt, da man so hoffte, einen Keil in die Front der Gegner treiben zu können. Ein Erfolg dieser Bemühungen war die Übergabe Schamaitens und eines Teils von Sadauen an den Orden im Jahr 1398. Doch die Politik des Ordens gegenüber der Bevölkerung konnte nur zu Unmut führen. Die Bauern wurden mit Fronarbeiten belastet, so dass viele die Flucht aus dem Land der Herrschaft des Ordens vorzogen. Dem Orden war nun endlich das Vorhaben geglückt, eine Landverbindung zwischen Preußen und Livland zu schaffen. Hochmeister Konrad von Jungingen setzte als Vogt über das neue Gebiet Michael Küchmeister ein.

Die letzten Jahre vor der Schlacht bei Tannenberg waren geprägt von der zunehmende Schärfe des Konflikts zwischen Polen und dem Deutschen Orden. 1402 war es gelungen, die Neumark zu erwerben. Damit war auch der Nordwesten Polen von Ordensgebiet umschlossen. Großpolen war so von Pommern abgeschnitten. Dagegen war Pommerellen auf bequeme Weise mit dem Reich verbunden.
Konrad von Jungingen starb 1407 und ihm folgte Ulrich von Jungingen im Hochmeisteramt. Der neue Hochmeister verfolgte eine militärische Lösung im Konflikt mit Polen. Im Jahr 1409 gingen die Samaiten in den Aufstand. Michael Küchmeister hatte in den Jahren zuvor immer dringlicher vor der Umtrieben Witolds gewarnt. Die wenigen Ordensstreitkräfte, die zur Verfügung standen, reichten nicht aus, doch verweigerte man den Zuzug. Die Samaiten fanden dagegen Unterstützung durch Polen. Dieser erfolgreiche Aufstand, der mit Ordenstruppen leicht hätte niedergeworfen werden können, sollte letztendlich in die Katastrophe führen.

Da Polen offen seine Unterstützung des Samaiten-Aufstandes erklärt hatte, kam es am 6. August 1409 zur Kriegserklärung seitens des Hochmeisters an Polen. Sogleich griffen Ordenstruppen das Dobriner Land, Kujawien und Bromberg an, stießen aber auch von der Neumark aus in das nordwestliche Großpolen vor. Am 8. Oktober wurde ein Waffenstillstand geschlossen. Der zur Schlichtung angerufene König Wenzel IV. von Böhmen sprach am 15. Februar 1410 dem Orden Schamaiten zu und betonte dessen Rechte an Litauen. Dieses Urteil nahmen Jagiello und auch Witold nicht hin. Sie bereiteten sich auf eine militärische Entscheidung vor.

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Der Verlauf der Schlacht

Die polnische Armee sammelte sich am 30. Juni 1410 in Czerwinsk an der Weichsel, überschritt den Fluß und marschierte in Preußen ein. Am 2. Juli 1410 brach auch Ulrich von Jungingen mit seinem Heer auf und zog entlang der Drewenz bis Kauernick, wo er lagern ließ. Hier erhielt das Heer noch Zuzug von im Land verstreuten Kämpfern, auch wurden alle verfügbaren Geschütze aus nahegelegenen Ordensburgen und der Marienburg hierher verlegt. Ein weiteres Korps unter Heinrich von Plauen stand in Pomerellen, während sich die zur Unterstützung angeworbenen deutschen Söldner noch auf dem Marsch befanden.

Der polnische König Jagiello hatte sein gesamtes Heer in einem Lager bei Ploczk gesammelt, von wo die Truppen schon am 1. Juli abmarschierten. Er näherte sich der Grenze zum Ordensland und schlug zwischen Biezun und Sierpe ein Lager auf mit der Absicht, hier die Drewenz zu überschreiten. Aus diesem Lager sandten Herzog Semowit von Masowien und andere Ritter und Edele an den Hochmeister ihre Entsagebriefe. Die Übersendung dieser Briefe verriet aber dem Hochmeister die neue Stellung des polnischen Heeres. Ulrich von Jungingen ließ daher sein Heer aufbrechen, um schließlich bei Soldau ein neues Lager aufzuschlagen. Bisher hatte hier der Ordensmarschall zusammen mit den Komturen von Osterode und Strasburg sowie dem Vogt des Samlandes die Stellung gehalten, doch hatten sie keine Möglichkeit gehabt, die feindlichen Truppen hier aufzuhalten. Da erstürmten am 8. Juli die gegnerischen Truppen Soldau und auch Neidenburg, etwas östlich vom Standort des Deutschordensheeres. Es folgte die grausame Eroberung und Plünderung der Stadt Gilgenburg. Hierher hatte sich eine große Zahl von Menschen mitsamt ihrer Habe geflüchtet, was den Eroberern eine gewaltige Beute versprach. Es waren die Heerhaufen und Witold, die sich der Stadt bemächtigten und sie gnadenlos plünderten. Die heidnischen Tartaren begingen schreckliche Gräueltaten. Nahezu alle Männer und Knaben wurden erschlagen, auch vor den Frauen und Mädchen wurde keine Rücksicht genommen. Die Pfarrkirche wurde all ihrer Schätze beraubt. Wer gehofft hatte, in dieser Kirche Schutz zu finden, starb in den Flammen, als am Morgen nach der Plünderung das Bauwerk in Brand gesteckt wurde. Nach dem Abzug der Plünderer setzte man die gesamte Stadt in Brand.

Von diesem grausamen Vorgehen des Feindes gegen die Bevölkerung der Stadt erfuhr der Hochmeister durch die Berichte von Flüchtlingen. Alles im Ordensheer, angefangen von der Gebietigern und den Söldnerführern schrie nach Rache. Kurzentschlossen ließ der Hochmeister das Heer marschieren. Der Marschweg folgte wieder der Drewenz nach Norden, an der Ordensburg Brathean vorüber nach Löbau. Hier wandte sich der Heerbann nach Osten und erreichte schließlich das Dorf Frögenau, wo ein Lager aufgeschlagen wurde. dass Ulrich von Jungingen so voreilig reagierte und nicht auf die Abteilungen und Heinrich von Plauen und die Söldner wartete, sollte zum schlachtentscheidenden Faktor werden. So hatte er nur ein zahlenmäßig deutlich unterlegenes Heer zur Verfügung. Nur 15000 Mann stellten sich dem Feind entgegen.

Nachdem der polnische König in seinem Lager bei Gilgenburg vom Herannahen des Ordensheeres erfahren hatte, ließ er das Lager abbrechen, um dem Feind entgegenzuziehen. Großfürst Witold machte sich daran, mit seiner Truppe aus Litauern, Samaiten, Russen und Tartaren eine feste Stellung zwischen den Dörfer Logdau und Faulen zu beziehen. So deckte er das im Abbruch befindliche Lager der Polen vor einem Angriff. Die folgende Nacht war furchtbar. Ein gewaltiger Gewittersturm riß in den Lagern beider Heere die Zelte nieder und er tobte noch, als der Morgen des 15. Juli 1410 graute.

Mit dem Anbruch des Tages marschierte das Heer des Deutschen Ordens ab. Zurück blieb eine Streitmacht zur Bewachung des Gepäcks und des Trosses. Nach einem Marsch von drei Meilen konnten die vorausgesandten Späher erstmals Witolds Truppen am Rand eines kleinen Wäldchens sehen. Hochmeister Ulrich gab nun die Befehle zur Aufstellung des Heeres zur Schlacht. Südlich des Dorfes Grünwald traten die Truppen in drei Schlachtreihen an. Die erste Reihe stieß mit dem rechten Flügel an ein Gehölz, mit dem linken Flügel stand sie bei Tannenberg. Eine zweite Schlachtreihe nahm in einigem Abstand dahinter Aufstellung. In der Nähe von Grünwald bezog die dritte Schlachtreihe, in zwei Schlachthaufen geteilt, als Rückhaltetruppe Stellung. Zur Deckung wurden an beiden Flügeln der ersten Schlachtreihe kleinere Truppen aufgestellt.

Der polnische König rückte mit seinem Heer erst heran, als das Heer des Deutschen Ordens schon Aufstellung genommen hatte. Auf einen Angriff verzichtete der Hochmeister aber, der vielleicht den Sieg über das noch ungeordnete feindliche Heer gebracht hätte. Der Mittag kam heran, drei Stunden harrte das Ordensheer schon in Schlachtordnung aus, doch auf der gegnerischen Seite tat sich nichts, was auf den Beginn der Schlacht deutete. Der polnische König zögerte.

Um die Spannung zu lösen und endlich den Kampf aufnehmen zu können, sandte der Ordensmarschall Friedrich von Wallenrod zwei Herolde an Jagiello und Witold, die diesen zwei Schwerter überbrachten. Das war verbunden mit der unverhohlnen Aufforderung, den Kampf aufzunehmen:
"Es ist Brauch kriegerischer Streiter, wenn ein Kriegsheer zum Kampfe bereit des andern wartet, so sendet es diesem zwei Schwerter zu, um es zum gerechten Streit auf dem Kampfplatz zu fordern. Sehet, so reichen auch wir euch jetzt zwei Schwerter entgegen, das eine für euch, den König, das andere für euch, Herzog Witold, im Namen des Meisters, des Marschalls und der Ritter des Ordens, auf dass ihr den Kampfplatz erwählet, wo ihr ihn wollt. Nehmet sie euch zur Hilfe, diese Schwerter, zum Beginne des Streites. Aber zaudert nicht ferner und versäumet nicht die Zeit. Wozu versteckt ihr euch in die Wälder und verberget euch, um dem Kampfe zu entfliehen, dem ihr fürwahr doch nicht mehr entgehen könnt?"

Die Ungeduld des Hochmeisters wird verständlich angesichts der ungünstigen Lage, in der er sich mit seinem Heer befand. Das Gelände war denkbar ungünstig und verdammte das Ordensheer zur Defensive. Es blieb also nichts anderes übrig, als auf den Angriff der Gegner zu warten und das beste aus der Geländesituation zu machen.

Bei der Aufstellung des polnisch-litauischen Heeres bildete Herzog Witold mit seinen Litauern und einem Teil der Tartaren den rechten Flügel, der sich bis zu dem Fluß Maranse erstreckte. Den linken Flügel des in drei Schlachtreihen antretenden Heeres bildete das polnische Heer. Dieser linke Flügel lehnte sich an ein Wäldchen, das an eine sumpfige Wiesenmulde grenzte, an. Die Rückhaltetruppen wurden von zwei kleineren Heerhaufen gebildet, die im Rücken der Schlachtreihen Aufstellung nahmen. Den 15.000 Mann des Ordens standen etwa 30.000 Gegner gegenüber.

Das Terrain war für einen Angriff des Deutschen Ordens denkbar ungünstig. Die schwere Reiterei konnte in dem Waldgebiet nicht zum Zuge kommen. So war dem Hochmeister die Initiative genommen und er mußte aus der Defensive heraus eine Strategie entwickeln. Aus der überlieferten Schlachtordnung ist abzulesen, was Ulrich von Jungingen plante. Um das polnische Ritterheer aufzuhalten, stellte er die Ordensritter geschlossen diesem gegenüber auf. Die übrigen Truppen sowie die gesamte verfügbare Artillerie trat gegen die Litauer an. Es war wohl hierbei die Absicht, die lockeren litauischen Verbände zunächst unter Beschuß zu nehmen, um sie dann mit Hilfe der Fußtruppen zu zersprengen. War dies gelungen, sollten wohl die siegreichen Verbände herumschwenken und in den Kampf der Ordensritter gegen die Polen eingreifen. Mit dieser Strategie konnten sich die Nachteile des Geländes ausgleichen. Durch die Wiesenmulde hatte die Artillerie ein freies Schußfeld auf die Angreifer, die hier dem Geschoßhagel schutzlos ausgeliefert waren. Auch hätte die schwere Reiterei hier die volle Wucht ihres Angriffs entwickeln können.

Der seit der Nacht tobende Sturm legte sich um die Mittagszeit, jetzt litten die Kämpfer unter der brütenden Hitze. Und nun eröffnete Herzog Witold die Schlacht. Die nervös gewordenen Deutschordenstruppen warfen sich übereifrig den heranstürmenden Feinden entgegen. Damit nahmen sie aber ihrer eigenen Artillerie jede Möglichkeit, ihre Wirkung zu entfalten. Zu groß war die Gefahr, die eigenen Leute zu treffen, die zwischen den Geschützen hindurch auf die Litauer und ihre Hilfsvölker losstürmten. Beide Schlachtreihen des Ordens rückten vor und warfen sich auf die Gegner. In dem entbrennenden wilden Gefecht gelang es den Ordensleuten, ihre Gegner zu überwinden. Als der Hochmeister deren Reihen schwanken sah, warf er Verstärkungen auf seinen linken Flügel. Die erste Schlachtreihe der Litauer wurde auf die zweite zurückgedrängt und alsbald stießen die Ordenstruppen bis zur dritten Schlachtreihe durch. Die Ordnung löste sich auf. Als sich die Litauer zur Flucht wandten, ließen sich die Sieger aber zur Verfolgung hinreissen, ohne einen Gedanken an das Ritterheer des Ordens. Von den feindlichen Truppen hielt allein eine Truppe von Russen aus Smolensk aus. Sie kämpften unter harter Bedrängnis durch die Ordenkämpfer, bis es ihnen gelang, sich den Polen anzuschließen. Reste ds litauischen Heeres konnten fliehen und verbreiteten sogar die Nachricht von der Niederlage.

Auch für die Ordensritter hatte die Schlacht zunächst erfolgreich begonnen. Im wilden Ansturm war es gelungen, das große Polnische Reichspanier mit dem weißen Adler zu erobern. Auch begann die polnische Streitmacht zu weichen. In dieser Situation wäre ein Herumschwenken des gegen die Litauer erfolgreichen linken Flügels sinnvoll gewesen. Diese Unterstützung wäre für den Ausgang der Schlacht zweifellos von großer Bedeutung gewesen. Doch beschäftigt mit der Verfolgung der Fliehenden und der Plünderung des Schlachtfeldes konnten die Kämpfer diese Hilfe nicht leisten. So konnten die bisher zurückgehaltenen polnischen Truppen auf Befehl Zindrams bis zum äußersten rechten Flügel der Schlachtreihe des Ordens vorstoßen. Da der gegenüberstehende linke Flügel des polnischen Heeres so beträchtlich verstärkt wurde, hatte das Ordensheer keine Chance mehr. Der polnische König zeigte sich auf Anraten des besiegten Witold dem Heer, dessen nächster Erfolg in der Rückeroberung des Paniers bestand. Die dritte Schlachtreihe wurde nun auf Befehl des Königs geteilt, die eine Hälfte zur weiteren Verstärkung der beiden vorderen Reihen abgesandt. Auch stellte Herzog Witold mit der anderen Hälfte und Resten der litauischen Truppen den rechten Flügel wieder her. Die Ritter des Deutschen Ordens standen nun einer gewaltigen Übermacht gegenüber.

Von dieser Übermacht wurde das Ordenheer immer weiter zurückgedrängt. Die von der Verfolgung der Litauer zurückkehrenden Truppenteile waren nicht mehr in der Lage, die Schlacht zu wenden. Der Ritter Leopold von Kökeritz wollte die Entscheidung durch einen Angriff auf den polnischen König herbeiführen. Er drang auf den Monarchen mit eingelegter Lanze ein. Doch Sbigneus von Oleßnitz, der Schreiber des Königs, stieß ihn vom Pferd, worauf er unter den Schwerthieben der Leibwache des Königs starb.

Immer mehr wurde das Ordensheer eingeschlossen. Auf dem linken Flügel warfen die sich dort wieder sammelnden Hilfsvölker der Polen die Ordenkämpfer zurück. Auf dem rechten Flügel konnte Herzog Witold den linken Flügel des Ordensheeres zurückdrängen. So von beiden Seiten bedrängt, drohte dem Heer immer mehr die völlige Einschließung. Von drei Seiten drängte nun das Heer der Litauer und Polen die verzweifelt kämpfenden Ordenstruppen zusammen.

In der allgemeinen Verzweiflung und angesichts der Aussichtslosigkeit des weiteren Kampfes, rieten die Großgebietiger dem Hochmeister zum Rückzug aus der Schlacht. Ulrich von Jungingen wehrte das Begehren ab:

"Das soll, so Gott will, nicht geschehen,
denn wo so mancher brave Ritter neben mir gefallen ist,
will ich nicht aus dem Felde reiten."

Der Hochmeister versammelte um sich einige frische Truppen, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht an der Schlacht teilgenommen hatten, sondern bei dem Dorf Grünwald als Rückhalt gelagert hatten, um einen letzten Angriff gegen den Feind vorzutragen. Doch beim Angriff floh ein Teil dieser Truppe. Der Bannerführer des Kulmer Landes, Nicolaus von Renys, und weitere Ritter aus diesem Gebiet entwichen aus der Schlacht. Doch von seinem Vorhaben ließ Ulrich von Jungingen sich nicht abbringen. Er wollte gegen den polnischen König vorstoßen. Als sich der polnische Ritter Dobeslaw Olesniczky dem Hochmeister entgegenstellen wollte, entging er nur knapp einem Lanzenwurf Ulrichs von Jungingen. Im nächsten Augenblick war das Ende des Meisters gekommen. Von allen Seiten stürmen polnische Kämpfer auf den Hochmeister und seine kleine Schar ein. Zwei Geschosse treffen Ulrich von Jungingen in Stirn und Brust, tot stürzte er vom Pferd. Auch die Gebietiger fielen in diesem Kampf.

Was seine eigene Person anging, hatte der Hochmeister eine Entscheidung getroffen, die für ihn persönlich nachvollziehbar erscheint. Hätte sein Vorstoß Erfolg gehabt, wäre er als Held und als Hochmeister gefestigt aus der Schlacht hervorgegangen, doch konnte er bei einem Rückzug aus der Schlacht nur sein eigenes Leben retten, das Vertrauen seiner Brüder hätte er als Überlebender der Niederlage verloren. Doch bleibt unverständlich, wieso er die Gebietiger nicht anwies, zurückzubleiben und im schlimmsten Falle den Rückzug zu ordnen. Es hat den Anschein, dass die allgemeine Verzweiflung in dieser verfahrenen Situation dermaßen groß war, dass keiner daran dachte.

Das polnische Heer kreiste die Reste des Ordensheeres ein und vernichtete sie völlig. Als schließlich einzelne Scharen von der Verfolgung der Litauer zurückkehrten, konnten auch sie das Blatt nicht mehr wenden. Das Heer des Deutschen Ordens hatte eine vernichtende Niederlage erlitten.

Von den am Kampf beteiligten Gebietigern und Komturen hatten nur drei überlebt. Es waren Oberst-Spittler Werner von Tettingen, der Danziger Komtur Johann von Schönfeld und Graf Friedrich von Zollern, der Komtur von Balga. Auf dem Schlachtfeld lagen 200 Ordensritter, 400 weitere Ritter und etliche Tausend Tote aus dem Fußvolk. Einige Überlebende gerieten in Gefangenschaft, kamen teils nach Kerkerhaft und Lösegeldzahlung frei, andere endeten auf dem Richtblock. Einen letzten Widerstand versuchte der Orden bei seinem Lager bei Frögenau aufzubauen, was aber mißlang. Am Abend des 15. Juli 1410 löste sich der Rest des Heeres auf, jeder suchte sein Heil in der Flucht.

Eine ähnlich schwere Niederlage hatte der Orden schon einmal erlitten, hatte sie aber durchgestanden. Nach der Schlacht von Durben im Jahr 1260 entstand aber nicht eine solche Verwirrung, wie infolge der Niederlage bei Tannenberg.

Alle Hoffnungen aufgebend, wurden zahlreiche der Ordensburgen von den älteren Ritterbrüdern aufgegeben, von denen nicht wenige ins Reich flohen. Klerus, Adel und den Städten des Ordenslandes leisteten dem polnischen König übereilig willfährige Huldigung. Doch nutzte der Herrscher seinen umfassenden Sieg nicht aus. Drei Tage blieb er auf dem Schlachtfeld, damit einem Brauch folgend, der sich seit dem 11. Jahrhundert ausgebildet hatte. Diese drei Tage nutzte Heinrich von Plauen, um mit seinen Truppen die Marienburg zu besetzen. Auch zahlreiche Freiwillige und Flüchtlinge hatten sich ihm dort angeschlossen, wobei man alle Vorbereitungen für eine langwierige Belagerung traf. Den polnischen Truppen blieb nichts anderes übrig, als die Belagerung aufzunehmen. Die Ordenstruppen widerstanden mit Zähigkeit. Während der Wochen des vergeblichen Kampfes um die Burg dezimierten Lagerseuchen und die großen Verluste bei den Kämpfen das Heer der Belagerer. Bei der Nachricht vom Herannahen eines livländischen Entsatzheeres sowie der deutschen Fürsten und Söldner zum Entsatz der Marienburg, wurde die Belagerung aufgehoben. Das polnische Heer verließ geradezu fluchtartig den Schauplatz.

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Die direkten Folgen der Schlacht

Heinrich von Plauen wurde nun zum neuen Hochmeister gewählt. Und er bestätigte in der Folge das in ihn gesetzte Vertrauen. Am 1. Februar 1411 wurde in Thorn ein Friedensvertrag mit Polen geschlossen. Darin erklärte der Deutsche Orden seinen Verzicht auf Schamaiten und Sudauen, allerdings nur für die Lebenszeit von Witold und Jagiello. Danach sollte der Deutsche Orden alle Rechte über das Land haben. Auch das Dorbiner Land wurde an Polen abgreteten, sowie eine Zahlung von 100.000 Schock böhmischer Groschen zugesagt. Dagegen blieben das Kulmer Land und Pommerellen im Besitz des Ordens. Den Kaufleuten wurde der freie Handel zugesichert.

Der Friede war mit diesem Vertrag in finanzieller Hinsicht teuer erkauft, doch sollten die entscheidenden Gebietsverluste zeitlich begrenzt sein. Die Spannung zwischen den Vertragspartnern blieb bestehen. Eine neue Entscheidung wollte Heinrich von Plauen durch eine erneute Aufnahme der Kampfhandlungen im Jahr 1413 erzwingen. Als er gegen die nördlichen Gebiete Polens vorging, wurde er von den Würdenträgern des Ordens zum Verzicht auf sein Amt gezwungen. Aber auch sein Nachfolger als Hochmeister, der ehemalige Vogt Schamaitens, Michael Küchmeister, blieb bei der Konfrontationspolitik. Als Polen und Litauer auf dem Treffen von Grabie in Kujawien im Jahr 1414 einen umfassenden Forderungskatalog vorlegten, der die Rückgabe Pommerellens, des Kulmer und des Michelauer Landes sowie der Besitzungen des Ordens in Kujawien, Driesen und Zantoch, außerdem Schamaiten und Sudauen verlangte, lehnte er das Ansinnen ab. Auf diese Ablehnung folgte der Einmarsch des polnisch-litauischen Heeres in das Ordensland. Drei Monate lange durchzog das Heer auf einem vernichtenden Feldzug das Land, streifte durch das Gebiet von Grünfelde und Neidenburg, das Ermland und erreichte schließlich Elbing. Auf Seiten des Deutschen Ordens vermied man die offene Feldschlacht, sondern schloß sich in den Burgen ein. Diese Strategie hatte den Erfolg, dass mit der Zeit das polnisch-litauische Heer in eine nahezu ausweglose Situation kam. Die Verwüstung des Landes hatte die Bevölkerung aufgebracht, sie stand wieder treu zum Orden, auch konnte Strasburg nicht erobert werden. Nun nahm König Jagiello das Waffenstillstandsangebot des Hochmeisters an. Man einigte sich, die strittigen Fragen dem Papst, Sigismund von Luxemburg oder dem Konzil von Konstanz zur Entscheidung vorzulegen.

Vor dem Konzil vertrat die polnische Seite, vertreten durch den Rektor der Universität Krakau, Paulus Vladimiri, die These, weder Papst noch Kaiser hätten ein Verfügungsrecht über die Territorien der Heiden, womit die Gültigkeit der Schenkungen an den Deutschen Orden in Frage gestellt wurde. Auch wandte sich Paulus Vladimiri gegen die Heidenmission durch das Schwert. Ziel dieser Argumentation war anscheinend die Auflösung des Ordens und die folgende Übernahme der Ordensländer durch Polen.

Die Delegation des Deutschen Ordens, geführt von Peter von Wormditt, versuchte darzulegen, dass die Heiden nicht friedlich gesinnt und rechtlos seien. Auch sei ihre Bekehrung wegen der durch Kaiser und Papst erfolgten Aufforderung die Pflicht der Christen. Weiterhin sei es unzulässig, sich der Heiden im Kampf zu bedienen, as der polnische König getan habe.

In seiner scharfen, polemischen Antwort verstieg sich Paulus Vladimiri dazu, von einer ´Ketzersekte´ zu sprechen und die Vernichtung des Deutschen Ordens zu fordern. Den Sieg in diesem polemischen Kampf trug die polnische Seite davon. Das Vorgehen Jagiellos und Witolds wurde weitgehend als richtig anerkannt. Dagegen wurde dem Deutschen Orden eine innere Reform empfohlen. Das Urteil blieb allerdings ohne Folgen.

Die folgenden Jahre waren von weiteren Bemühungen um eine militärische, aber auch diplomatische Lösung des Konflikts bestimmt. Es zeigte sich aber erneut, wenn sder Deutsche Orden sich auf seine befestigten Plätze zurückzog, stießen die Einfälle der Polen ins Leere. Es blieb nur, das Land zu verwüsten, doch konnte die polnische Armee keine Entscheidung durch die Waffen herbeiführen. Dies geschah auch 1422, in welchem Jahr der einzige Erfolg der polnischen Armee die Eroberung der Grenzburg Gollub war. In der Folge kam es zum Friedensschluß am Melnosee. Nun erhielt Polen die Besitzungen des Deutschen Ordens in Kujawien, darunter das strategisch wichtige Nessau, erklärte aber im Gegenzug erneut den Verzicht auf Pommerellen und das Kulmerland. Litauen gegenüber verzichtete der Orden auf Schamaiten und Sudauen sowie einen Zugang zur Ostsee bei Polangen. Dieser Verzicht bedeutete die endgültige Trennung Livlands vom Ordensland. Der Expansion des Deutschen Ordens nach Norden war Einhalt geboten, der Plan eines vereinigten preußisch-livländischen Ordensstaates mußte aufgegeben werden.

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Schluss

Wenn auch nach außen hin, auf dem internationalen diplomatischen und politischen Parkett, der Deutsche Orden sich auch nach der Schlacht von Tannenberg weiterhin behaupten konnte, so hatte doch mit der Niederlage im Inneren eine Krise ihren Anfang genommen, die zu ernsthaften Schwierigkeiten führen mußte. Schon während der Schlacht hatte das kulmländische Banner unter dem Führer des "Eidechsenbundes", Nickels von Renys, kapituliert. Dieser wurde von Heinrich von Plauen zum Tode verurteilt und hingerichtet. Dieser Ritterbund stellte aber nur einen Teil der inneren Opposition gegen den Deutschen Orden dar. Auch die Stände, Ritterschaft und Bürger, wandten sich gegen die Herrschaft. Das hatte sich insbesondere an der allzu bereitwilligen Unterwerfung unter die Polen nach der Schlacht gezeigt. In der Folgezeit sollte sich dieser Gegensatz noch verschärfen. Um die finanziellen Mittel zur Behebung der durch den Krieg entstandenen Schäden aufbringen zu können, griff der Orden in die hergebrachten Rechte der Ritterschaft ein. Das Recht der Belehnungen wurde willkürlich zu Gunsten des Ordens geändert. Größere Leistungen an den Orden wurden von den Grundbesitzern eingetrieben, das Erbrecht geändert. Auch die Städte sahen sich hohen Geldforderungen und Eisnchränkungen ihrer Handlungsmöglichkeiten gegenüber. Die drückenden Forderungen des Ordens einerseits und der Ruf nach mehr Selbstständigkeit der Städte andererseits, mußte zu einer Verschärfung des Konflikts führen.

Währenddessen kam es zu einer engeren wirtschaftlichen Anbindung Pommerellens an Polen. Die Landwirtschaft im Ordensstaat machte eine Krise durch, die sich für den polnischen Handel auszahlte. Nun mußten polnische Produkte importiert werden, um den Bedarf zu decken. Der von den Großschäffern betriebene Handel des Ordens brach weitgehend zusammen, an ihre Stelle traten die preußischen Kaufleute, die auf eigene Rechnung handelten. Nicht nur Fertigprodukte wurden aus Polen eingeführt, auch Rohstoffe zur Weiterverarbeitung durch das Handwerk. Diese Umstände waren sehr günstig für die wirtschaftliche Entwicklung Polens, allerdings in einer gewissen gegenseitigen Abhängigkeit. Die von polnischer Seite immer wieder betonten Bindungen zu Pommerellen wurden so noch durch den alltäglichen Austausch gefestigt.

Die Schlacht von Tannenberg kann insofern als Wendepunkt der Geschichte angesehen werden, als dass sich in dieser militärischen Auseinandersetzung alle Linien vereinigten, die zu einer Änderung der Verhältnisse in Preußen führen mußten. Diese äußere Niederlage des Deutschen Ordens zeigt schlaglichtartig seine Schwächen auf. Es sind einerseits die Bedrohung von außen, die vereinten Armeen der Litauer und Polen, andererseits die schon vorhandenen inneren Konflikte und Schwächen, die zu der umfassenden Niederlage führten. Ihre eigentliche Wirkung sollte die inneren Probleme erst viel später entfalten, als die Ordensführung erkennen mußte, wie weit sie sich von den Interessen der Städte und Stände im Ordensland entfernt hatte. Die Bekehrung der Litauer, ohne dass der Orden wirksam geworden wäre, hatte schon zuvor das Ende der Mission mit dem Schwert gezeigt. Und hier erscheint wieder der klassische Konflikt der Ritterorden, der sich schon bei den Templern negativ auswirkte: sobald die Orden ihre eigentliche Aufgabe, den Heidenkampf, verlieren, müssen sie scheitern. Auch der Deutsche Orden war Anfang des 15. Jahrhunderts noch immer auf einen beständigen Krieg gegen die Heiden ausgerichtet, auf einen permanenten Kreuzzug. Niemand hatte sich Gedanken darüber gemacht, was geschehen sollte, wären die letzten erreichbaren Heiden bekehrt. Einer Rückkehr an den orientalischen Kriegsschauplatz hatte sich der Deutsche Orden selbst verschlossen, es gab kein Zurück mehr. Und auch die Argumente vor dem Konzil in Konstanz zeigen deutlich das Nichtverzichtenwollen auf den Heidenkampf. Man ging sogar so weit, es nicht wahrhaben zu wollen, dass die einstmaligen Heiden nun auch Christen seien. Dass es aber, gerade bei der Schlacht von Tannenberg, überhaupt nicht mehr um einen Krieg im Sinne der Kreuzzüge ging, sondern allein um einen Konflikt um die Beherrschung eines Territoriums, wollte man anscheinend nicht wahrhaben. Denn dann hätte der Orden selbst zugeben müssen, als Ritterorden überflüssig geworden zu sein.

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