Die Römer am Mittelrhein

von Jörg Dendl

Letztes Update: 03. November 2011

 
Durch die militärischen Kampagnen C. Iulius Caesars (100 - 44 v. Chr.) während seiner Feldzüge in Gallien kamen die linksrheinischen Gebiete un­ter römische Herrschaft. Im Jahr 55 v. Chr. brach ein Krieg mit den germa­nischen Stämmen der Usipeter und Tenkterer aus, die, von den Sueben be­drängt, den Rhein an der Mündung überschritten hatten. In einer großen Schlacht am Zusammenfluß von Maas und Rhein wurden die Germanen vernichtend geschlagen. Um nun den am rechten Ufer des Rheins siedeln­den, römerfreundlichen Stamm der Ubier zu unter­stützen und die Sugam­brer und Sueben zu demütigen, ließ Caesar in­nerhalb von 10 Tagen eine hölzerne Brücke über den Rhein schlagen. Dies geschah wahrscheinlich auf der Höhe von Neuwied. Die römi­schen Truppen überschritten den Rhein, blieben allerdings nur 18 Tage im rechtsrheinischen Gebiet. Danach wurde die Brücke wieder abgebro­chen.

Nach dem Erreichen des Rheins war es zunächst das Bestreben des Kai­sers Augustus (Ks. 27 v. Chr. - 14 n. Chr.), auch das bislang freie Ger­manien rechts des Rheins bis zur Elbe dem Römischen Reich einzuver­leiben. Sein Stiefsohn Drusus (38 - 9 v Chr.) eröffnete die Feldzüge im Jahr 12 v. Chr. zunächst erfolgreich. An die Elbe gelangten die Legio­nen schon drei Jahre später, Germanien galt als tributpflichtige Provinz. Links des Rheins hatte Drusus durch die Errichtung von Kastellen die Keime für mehrere Orte am Mittelrhein gelegt: das Castellum Bingium deckte den Nahetalpaß, weitere Einheiten errichteten ihre Standla­ger in Vosalia und Baudobriga. Aus diesen Lagern sollten die heutigen Städte Bingen, Wesel und Boppard hervorgehen. So wurden also in dieser Zeit erstmals römische Soldaten in diesem Abschnitt des Rheins in Stellung ge­bracht. Auch die Gründung von Koblenz am Zusammenfluß von Lahn und Rhein (daher der lateinische Name "Confluentes") geht auf diese Zeit zu­rück. Zwischen dem Castellum Bingium und Confluentes wurde alsbald eine Straße gebaut. Diese ermöglichte den Handelsverkehr auf dem linken Ufer des Rheins, da wohl zu dieser Zeit der Fluß bei Bingen nicht schiffbar war.

Und so zogen die Händler, Soldaten und andere Reisende hier entlang, viel­leicht schon bei einer Rast den Anblick der hochaufragenden Felsen des noch immer feindlich besetzten rechten Ufers betrachtend.

Dieser Zustand relativer Ruhe währte allerdings nicht lange, denn die rechtsrheinischen Germanen wollten sich, im Gegensatz zu den Kelten links des Rheins, nicht der Macht Roms beugen. Nachdem im Jahr 9 n. Chr. drei Legionen unter dem Legaten Publius Quinctilius Varus bei Kalkriese in der "Schlacht im Teutoburger Wald" vernichtend geschla­gen worden waren, gab Kaiser Tiberius (Ks. 14-37 n. Chr.) sieben Jahre später alle Bemühun­gen auf, Germanien zu erobern. Damit wurde der Rhein zur Reichsgrenze. Mogontiacum (Mainz) wurde zum Standort des Kommandos für Oberger­manien, wozu auch Bingen und Koblenz gehörten, Vetera (Xanten) für Un­tergermanien mit jeweils vier Legio­nen. Die Soldaten der nun am Rhein stehenden acht Legionen und der Hilfstruppen waren in Lagern am linken Ufer des Stroms stationiert. Nur vor Mogontiacum war ein Brückenkopf auf dem rechten Ufer des Rheins vorhanden. Das rechte Rheinufer wurde weiterhin von den germani­schen Stämmen der Sugambrer, Tenkterer und von der Lahn bis nach Mogontiacum von den Chatten beherrscht.

Schließlich schob Kaiser Claudius (Ks. 41-54) die im Alpenvorland statio­nierten Truppen an die Donau vor, wo (wie links des Rheins) nun Kastelle errichtet wurden, und begründete die Provinz Raetia et Vinde­lica. Mit die­ser Grenzziehung war zwar für einige Zeit erneut ein Zu­stand gewisser Ruhe hergestellt, doch bildete der zwischen Rhein und Donau gelegene decumates agri, das "Dekumatenland", einen regel­rechten Keil, der tief in das Römische Reich hineinragte. Hier hatten sich gallische Siedler den Boden angeeignet, was die Römer ihnen gewährten.

Wie notwendig allerdings die Verkürzung der Reichsgrenze im Gebiet zwi­schen Rhein und Donau war, zeigte sich in den Jahren 69 und 70. Nach dem Selbstmord des Kaisers Nero (Ks. 54-68) begann der Kampf der Ge­neräle um die Herrschaft. Dabei spielten die am Rhein stationier­ten Legio­nen eine wichtige Rolle. Zunächst wurde Servius Sulpicius Galba (Ks. 8.6.68-15.1.69), der Statthalter der Provinz Hispania citeri­or zum Kaiser erhoben, herrschte aber nur wenige Monate. Gestürzt wurde er von M. Salvius Otho (Ks. 15.1. - 16.4.69), der aber schon nach drei Monaten, von den Truppen des Vitellius besiegt, Selbstmord beging. Aulus Vitellius (Ks. 2.1.69 - 20.12.69), der erst im Jahr zuvor zum Oberbefehlshaber im Militärbezirk Germania inferior ernannt worden war, hatte mit den ihm un­terstellten Truppen ein Machtmittel in die Hand bekommen, das ihn bis zum Kaiserthron führen sollte. Mit sieben germanischen Legionen mar­schierte er nach Italien, wo es bei Betriacum in der Nähe von Cremona zur Entscheidungsschlacht mit Otho kam. Nach seinem Sieg und dem Tod des Otho übernahm Vitelli­us in Rom die Macht. Doch sein Stern sank schnell. Im Osten war der mit der Niederwerfung des Jüdischen Aufstandes be­schäftigte Feldherr Vespasian (Ks. 69 - 79) im Juli des Jahres 69 ebenfalls zum Imperator aus­gerufen worden. Schon im Dezember unterlag ihm Vitellius. Der an­fängliche Erfolg des Vitellius hatte gezeigt, dass die Rheinarmee ohne weiteres zum Machtfaktor werden konnte. Auch zeigte sich alsbald, wie notwendig die militärische Sicherung der Rheingrenze war.

Der Marsch der Rheintruppen nach Italien hatte, obwohl versucht wor­den war, die entstandenen Lücken durch Rekruten zu schließen, eine bedrohli­che Lage am Rhein hinterlassen. Um selbst freie Hand zu ha­ben, hatte Ves­pasian auf den Stamm der Bataver eingewirkt, um einen Aufstand in Ger­manien zu provozieren, der dort die römischen Truppen binden sollte. Un­ter der Führung des Iulius Civilis erhoben sich die Ba­taver, Cannenefaten und Friesen. Diese Erhebung war erfolgreich: Die aus Batavern gebildete Mannschaft der Rheinflotte, aber auch eine Ko­horte gallischer Tungerer lief zu den Aufständischen über, während die aus italischen Mannschaften be­stehenden Einheiten vernichtet wurden. Dieser Sieg ließ den Aufstand ent­lang des Rheins aufbranden, bestand doch nun die Hoffnung auf Freiheit vom römischen Joch auch für die Völker links des Rheins. Die rechtsrheini­schen Stämme der Tenkterer, Usiper, Mattiaker und Chatten nahmen den Kampf auf. Vetera wurde belagert, was wiederum die batavischen Einhei­ten bei Mogontiacum in den Aufstand eingreifen ließ. Nun allerdings ent­glitt der Aufstand der Kontrolle Vespasians.
Nur zum Schein hielt Civilis seine Treue zum neuen Kaiser aufrecht. Die­ses Spiel durchschaute die Besatzung von Vetera, die sich weiterhin tapfer gegen die germanische Blockade zur Wehr setzte, auch bei schwindenden Vorräten. Da der Sommer sehr trocken war, konnten im­mer neue Scharen von Germanen den nur wenig Wasser führenden Rhein überschreiten und die linksrheinischen Gebiete ausplündern. In dieser Situation erklärte Civilis den Abfall von Rom, die sich im Auf­stand befindenden Gebiete sollten frei sein. Es kam schließlich zur Zer­störung aller Legionslager und Kastelle am Rhein, allein Mogontiacum blieb verschont. So wurde im Jahr 70 ein Gallisches Reich proklamiert.

Doch Rom nahm den Kampf wieder auf, neun Legionen machten sich auf den Marsch, das Verlorene zurückzuerobern. Nur wenig Widerstand wurde angetroffen, die gallischen Aufständischen unterwarfen sich als­bald. Allein Iulius Civilis selbst setzte sich zur Wehr. Beim Kampf um Trier, das Civilis nahezu erobert hatte, wendete sich das Blatt. Die rö­mischen Truppen konn­ten den Aufstand überall niederwerfen, bis sich Civilis im Herbst des Jahres 70 in den Trümmern von Vetera ergeben mußte. Der Aufstand war geschei­tert, die römische Herrschaft am Rhein wieder gesichert.

Mit der Beruhigung der Verhältnisse nach dem Aufstand des Civilis wurde aber deutlich, dass der bisher ungünstige Grenzverlauf dringend verändert werden mußte. Rhein und Donau sollten nun die Reichsgren­ze gegen Ger­manien bilden. Zunächst wurde das Dekumatenland durch einen Feldzug des Legaten Cn. Pinarius Cornelius in den Jahren 73 und 74 dem römischen Reich einverleibt, das später unter Kaiser Domitian der Provinz Germania superior zugeschlagen wurde. Mit einer Straße wurden Oberrhein und obe­re Donau auf kürzestem Wege verbunden. Kaiser Traian (Ks. 79 - 81) zog eine weitere Legion aus Obergermanien ab, so dass nur noch zwei Legionen, die Legio XXII Primigenia pia fidelis in Mogontiacum und die Legio VIII Augusta in Argentorate (Straßburg), in der Provinz verblieben. Um die Si­cherheit zu gewährleisten, wurden die Truppen nun direkt an den Limes verlegt, da verhindert werden sollte, dass erneut germanische Stämme den Rhein überschreiten und in das Reichsgebiet eindringen. Weitere Kastelle wurden hier errichtet. Mogontiacum fiel in dieser Zeit als Brückenkopf eine entscheidende Rolle zu.

Die nach der Niederlage des Publius Quinctilius Varus bei Kalkriese aufgegebenen Kastelle von Wiesba­den und Hofheim am Taunus wurden erneuert, neue Kastelle bei Frankfurt-Heddernheim, Okarben und Friedberg in Hessen errichtet. Das römische Vorgehen stieß allerdings auf den Widerstand der in die­sem Gebiet siedeln­den Chatten. Dieser Stamm sah sich durch den Aus­bau der Befestigungen in der Wetterau in seiner Freiheit bedroht. Und so war ihre steigende Unruhe für Kaiser Domitian (Ks. 81-96) ein will­kommener Anlaß, den Krieg über den Rhein zu tragen. Verdeckt durch einen angeblichen Census in Gallien zog er fünf Legionen bei Mogon­tiacum zusammen und schlug im Jahr 83 gegen die Chatten los. Zu ei­ner eigentlichen Entscheidungsschlacht kam es nicht, denn die Chatten wichen aus und verlegten sich auf einen Guerillakrieg in den Wäldern. Erst mit rigiden Maßnahmen konnten die römischen Truppen das Blatt zu ihren Gunsten wenden. Durch die Wälder wurden Schneisen ge­schlagen, die schließlich eine Länge von 120 Meilen erreichten, wie Sextus Julius Frontinus die Taktik beschreibt. Von diesen Schneisen aus drangen die Legionen in die Wälder ein und kämpften die Gegner nieder. Als sich die Chatten letztendlich unterwarfen, war Rom gnädig und nahm sie als Föderaten an. Damit hatte Kaiser Domitian, der im Sommer des Jahres 83 seinen Triumph über die Germanen feierte, end­lich das Gebiet rechts des Rheins direkt dem Einfluß Roms unterwor­fen. Das Vertrauen in die neuen Föderaten war anscheinend nicht groß genug; die Legionen begannen zunächst einen Postenweg entlang der Grenze der neu eroberten Gebiete zu ziehen, den Vorläufer des oberger­manischen Limes. In der folgenden Zeit konnte sich im Grenzgebiet die Wirtschaft ungestört entwickeln, der Frieden war gesichert. Doch inner­halb weniger Jahre entstand eine Lage, die zu aufwendigeren Maßnah­men zwang.

Der Einfall der Daker in die Provinz Moesia im Jahr 85 machte es notwen­dig, Truppen aus den germanischen Provinzen abzuziehen. Als schließlich auch noch der obergermanische Statthalter L. Antonius Sa­turninus gegen den Kaiser in den Aufstand ging, wurde nach seiner Niederlage eine der beiden Mainzer Legionen an die Donau abkom­mandiert. So stand ab dem Jahr 89 nur noch eine Legion an der neuen Grenze nach Germanien.
Im folgenden Jahr begannen kleine Einheiten von 100 bis 150 Mann, die sogenannten numeri, entlang des obergermanischen Limes kleine Kastelle zu errichten. Diese waren lediglich einfache Holzbauten, so auch das Kas­tell von Marienfels, das nur wenige Kilometer vom Rhein entfernt er­richtet wurde.

Hier fanden die Ausgräber die Überreste von zwei Holzkastellen. Wäh­rend die Gestalt des älteren weitgehend gesichert werden konnte, sind von dem jüngeren nur zwei Grabenstücke bekannt. Das ältere Kastell maß von Wes­ten nach Osten 117 m, von Norden nach Süden 97,5 m. Umgeben war es mit Wall und Graben, der an der Südseite mit 5,60 m Breite und 2,40 m Tiefe nachgewiesen werden konnte. An der Südseite des Kastells wurde eine 7 m breite Rampe gefunden, die den Graben unterbrechend den Zu­gang zum hier gelegenen Lagertor bildete. An­sonsten konnten keine Spuren von Toranlagen gefunden werden. Ein im Inneren der Anlage ausgegrabe­nes Gebäude von 39 m Länge und 7 m Breite gehörte wahrscheinlich zum jüngeren Kastell. Die hier statio­nierten Soldaten hatten auch eine Therme zur Verfügung, die sich etwa 30 m nördlich des Kastells befand. Das Bad war bei seiner Entdeckung mit seinen wichtigsten Räumen weitgehend er­halten. Es stammte aus der Zeit Kaiser Traians. Nach den Ergebnissen der Ausgrabung von 1849 wurde ein Modell dieser Anlage angefertigt, das sich im Mu­seum von Wiesbaden befindet. Um das Kastell herum fanden sich Spu­ren einer recht ausgedehnten Siedlung, in der wohl die Familien der Soldaten lebten. Heute sind keine Spuren dieser Bauten mehr erhalten.

Bei der Errichtung dieses Kastells war der Limes noch keine undurchdring­liche Grenze. In Sichtweite standen hölzerne Wachtürme mit vier oder fünf Mann Besatzung, dazwischen gab es keine Sperranlagen. Der Historiker Tacitus war der erste, der für diese Grenze die Bezeichnung limes verwen­dete. Nun war das Gebiet zwischen dem rechten Rheinufer und dem Limes ein Teil der Provinz Germania superior.

Im Schutz des Limes, der etwa 20 km östlich des Rheins verlief, ließen sich römische Siedler nieder. In diesem schmalen Gebiet wur­den Spuren einer sehr dichten und auch dauerhaften Besiedlung gefunden. Weiter in Gebrauch blieb die noch aus keltischer Zeit herrüh­rende Fährver­bindung zwischen dem heutigen St. Goar und St. Goars­hausen. Linksrhei­nisch mündeten die vom Hunsrück herabführenden Wege an dieser Stelle in das Gründelbachtal, während rechtsrheinisch die aus dem Taunus in das Hasenbachtal führenden hier den Rhein er­reichten. Bei der Errichtung des Limes gewann dieser Weg eine beson­dere Bedeutung, da er das Rheinufer mit dem Limeskastell bei dem heutigen Ort Holzhausen verband. Reste die­ser Römerstraße wurden zwischen den Orten Patersberg und dem Haushe­cker Wald freigelegt. Bis zum Bau der "Chaussee" von St. Goarshausen über Bogel nach Na­stätten im Jahr 1854 wurde dieser Römerweg genutzt, da er der einzige von St. Goarshausen in den Taunus führende Fuhrweg war. Eben­so könnte der einst durch das Tal des Bachs von Wellmich zum Limes­kastell bei Marienfels führende Weg in diese Zeit zurückreichen. Das Vorhandensein von Straßen hatte aber nicht nur eine Bedeutung für die militärische Sicherung der Gegend, sondern erleichterte natürlich auch den hier ansässigen Siedlern Handel und Wandel. Ihre spärlichen Spu­ren fanden sich an mehreren Stellen. Es kann vermutet werden, dass ei­nige der noch heute existierenden Orte ihre Ursprünge in dieser Zeit ha­ben. Anlaß zu dieser Annahme geben die Ortsnamen. So wird die Grün­dung der Orte Auel, Bornich, Ehrenthal, Kaub, Kestert, Nochern, Prath, Weisel, Wellmich und Weyer in die Zeit vor den Germaneneinfällen datiert.

Diese Hinweise aus der Ortsnamenforschung werden durch archäologi­sche Funde zum Teil noch gestützt. In der Feldflur der Gemarkung Weisel, nur 6 km vom Rhein entfernt, wurde man auf eine Stelle aufmerksam, an der beim Pflügen nicht nur ortsfremde Steine, son­dern auch Keramikscherben gefunden wurden. Bei der folgenden Grabung wurden in den Jahren 1991 und 1992 an dieser Stelle die Reste eines römi­schen Grabhügels freigelegt. Von dem ursprünglich aufgeschütteten tumu­lus war durch das Pflügen nichts mehr erhalten. Die einzige Spur waren die Reste des Fundaments der den Hügel einst stützenden Ringmauer. Sie um­faßte einen Kreis von 10,70 m Durchmesser und hatte eine Dicke von 0,65 m. Weitere Baureste sind eine innerhalb dieses Mauerrings aufgeführte zweite Mauer und Hinweise auf Holzpfosten innerhalb und außerhalb. Im Zentrum des tumulus befand sich ursprünglich wohl ein Mittelpfosten. Von einer Grabkammer oder einer Aschenkiste konnten keinerlei Reste gefun­den werden. Alles deutet auf eine schon in der Antike erfolgte Beraubung dieses Grabes hin. Im Nordwesten der Anlage fand sich, vom Mauerfunda­ment überdeckt, eine Grube von 1,30 m Länge und 0,75 m Breite. Diese war gefüllt mit Asche, enthielt aber auch zerschlagene Gefäße und Tierkno­chen. Alles deutet darauf hin, dass es sich hierbei um die sorgfältig zusam­mengetragenen Überreste der Totenfeier handelt. Die Tierknochen bilden dabei wohl die Reste des Leichenschmauses. Aus den Scherben konnten insgesamt 97 Gefäße wiederhergestellt werden. Unter diesen befanden sich 11 Gläser und etwa 50 Gefäße aus terra sigillata. Eß- und Trinkgeschirr herrscht vor, es sind auch Amphoren und wenige Krüge vorhanden. Die Herkunft eines Teils der Gefäße aus dem östlichen Gallien, aus Lyon und Vienne, und das Vorhandensein sogenannter Rhône-Keramik zeigt die Beziehungen der rechtsrheinischen Siedler nach den westlich des Rheins liegenden Gebieten. Errichtet wurde dieser tumulus im 1. Jahrhundert.

Urnengräber aus derselben Zeit fanden sich in der Gemarkung Bornich und ein einzelnes Urnengrab bei Kamp-Bornhofen. Selbst religiöse Bauten wur­den hier auf dem rechtsrheinischen Ufer errichtet. So konnte bei Osterspai ein Merkurtempel gefunden werden. Der kleine Bau, der etwa 10 m im Quadrat maß, wurde zwischen den Jahren 100 und 150 errichtet. Wilhelm Bodewig vermutete aus Gallien stammende Legio­näre, also Kelten, als Er­bauer dieses Tempels, die in der Gestalt des rö­mischen Merkur ihren Gott Esus verehrten. Diese Kelten waren seit der Zeit Kaiser Hadrians in großer Zahl als Grenzsoldaten am rechten Rhei­nufer stationiert worden. So waren sie also in römischen Diensten nach fast 1000 Jahren wieder in ihre alten Siedlungsgebiete zurückgekehrt. Sein Ende fand der Tempel wohl um 260. Die gefundenen Spuren deu­ten auf eine gewaltsame Zerstörung: die Kult­statue des Merkur war in Stücke zerschlagen, der Tempel selbst wurde nie­dergebrannt. Dieser Tempel war nicht der einzige dieser Art am Mittel­rhein. Auch im Stadt­wald von Koblenz wurde ein solcher Umgangstempel gallischen Typs ausgegraben.

An der Ostseite des zum Dorfeingang von Bornich führen­den Weges wurden die Spuren eines römischen Gehöftes gefun­den. Die nächste größere Stadt rechts des Rheins war Civitas Mat­tiacorum, das heu­tige Wiesbaden. Hier wurde im Schutz des Limes Landwirtschaft betrieben, wohl auch, wie an anderen Stellen des Rhein nachweisbar, Weinbau.

Unter der Herrschaft Kaiser Hadrians (Ks. 117-138) wurde der Limes schließlich doch noch befestigt. Da, wo bisher nur der Postenweg zwi­schen den Wachtürmen verlief, wurde eine Palisade errichtet. Und die­ser Ausbau ging in den folgenden Jahrzehnten weiter. In der Mitte des 2. Jahrhunderts wurden zahlreiche Holzkastelle durch Steinbauten er­setzt, auch wurden an­stelle der bisher hölzernen Wachtürme Steintürme errichtet. Dies geschah zu dieser Zeit anscheinend auch beim Kastell Marienfels. Das Kastell selbst wurde anscheinend zugunsten eines neu errichteten Steinbaus aufgegeben, der 1,3 km weiter nordöstlich bei Hunzel gefunden wurde. Heute ist auch von diesem Kastell im Gelän­de, einer vom Hunzelbach durchflossenen Wiese, nichts mehr zu erken­nen. Archäologische Untersuchungen wurden im Jahr 1896 von Dr. Ro­bert Bodewig vorgenommen. Dabei ergab sich für das Kastell eine an­nähernd quadratische Form (84,50 x 83,50 x 89,20 x 89 m), wobei die Ecken mit Radien von 12 bis 13 m abgerundet waren. Von der Umfas­sungsmauer blieb nur an der dem Limes zugewandten Seite Mauerwerk erhalten, ansonsten wurde nur noch das Fundament angetroffen. Die Mauer hatte eine Stärke von 1,20 m. Von den Toren der beiden seitli­chen Lagerzugänge blieben Reste der flankierenden Türme erhalten, von einem sogar Schiefertafeln des Daches. Im Grundriß waren diese Türme quadratisch, jede Seite maß 3 m bei einer Mauerstärke von 60 cm. Auch die dem Limes zugewandte Porta praetoria war von Türmen flankiert, von denen Reste von nur 30 cm Höhe aufgefunden wurden. Die an der gegenüberliegenden Seite des Lagers befindliche Porta de­cumana hatte keine Türme. Hier befanden sich zwei Durchgänge ins Lager von 3,30 m und 2,40 m Breite. Umgeben war das ganze Lager von einem Spitzgraben, der 4 m breit und 1,37 m tief war.

Im Innern des Kastells wurden bei der Grabung große Teile des Hauptge­bäudes, des Praetoriums, gefunden. Seine Front war längs der Schmalseite des Lagers ausgerichtet und maß in der Breite 27,40 m, bei einer Länge des Gebäudes von 19,75 m. Den Mittelpunkt bildete ein Atrium, dem zwei Querhallen vorgelagert waren. Rechts und links die­ser Räume schlossen sich je zwei nebeneinanderliegende Hallen an, die das Atrium umfassten. Hinter dem Atrium erstreckte sich über die ge­samte Breite des Gebäudes ein Hof, an dessen hinterer Langseite sich das Fahnenheiligtum, das Sacel­lum, dessen Apsis aus der Mauer des Praetoriums vorsprang, erstreckte. Rechts und links schlossen sich je zwei weitere Räume an. Da eine Therme nicht gefunden werden konn­te, vermutete Dr. Bodewig, dass die hier statio­nierten Legionäre weiter das Bad des aufgegebenen Kastells Marienfels be­nutzten. Außer den Mauerresten wurde nur sehr wenig gefunden. Es waren lediglich zwei Münzen, eine Schleuderkugel aus Tuffstein, das Randstück einer Glas­schale und einige Keramikreste. Da keine Inschriften gefunden wurden, konnte auch nicht festgestellt werden, welche Einheit hier stationiert war. Direkt an diesem Kastell entlang verlief der Limes, von dem sich hier keine Spuren mehr zeigen. Reste befinden sich erst 600 m weiter östlich im Wald.

Die letzten Jahrzehnte des 2. Jahrhunderts waren für Obergermanien von großen Bedrohungen bestimmt. Damit war das rechtsrheinische Gebiet unmittelbares Kampfgebiet. Zweimal, in den Jahren 162 und 170 fielen die Chatten in Obergermanien ein und hinterließen schwere Verwüstun­gen. Das römische Heer war durch die Markomannenkriege gebunden, eine Abwehr unmög­lich. Vielleicht wurde deshalb der obergermanische Limes mit Wall und Graben gesichert. Vermutet wird einerseits eine Errichtung gegen Ende des 2. Jahrhunderts unter Kaiser Commodus (Ks. 180-192) um die Chatten ab­zuwehren, andererseits kann diese Grenzsperre auch erst am Anfang des 3. Jahrhunderts als Abwehrmaßnahme gegen die nun zunehmenden Alaman­neneinfälle errichtet worden sein. Erst Kaiser Caracalla (Ks. 211-217) ge­lang es, durch einen Präventivkrieg gegen den alamannischen Stammes­bund für weitere 20 Jahre die Ruhe in der Provinz zu sichern.

Mit dem Jahr 233 begannen die alamannischen Angriffe, die letztend­lich zum Ende des Limes führten. Zum Kampf gegen die Parther hatte Kaiser Severus Alexander (Ks. 222-235) die obergermanischen Legio­nen abgezo­gen, die Rheingrenze war schutzlos. Diese Situation nutzten die Alamannen zu Plünderungszügen in Obergermanien. Dabei wurden auch zahlreiche der Limeskastelle zerstört. Erst die Legionen konnten den Kaiser zwin­gen, nach Germanien zurückzumarschieren, um die Grenze zu sichern. Nicht in der Lage, die unzufriedenen Trup­pen zu beruhigen, wurde er in Mogontiacum ermordet. Dem neu einge­setzten Kaiser Maximinus Thrax (Ks. 235-238) gelang es, die Alaman­nen zurückzutreiben und den Limes wieder zu sichern. Doch die fol­gende Zeit der Wirren im Römischen Reich schwächte die Grenzwache weiter.

Der Druck der rechts des Rheins lebenden Franken und Alamannen wurde immer stärker bis sie in einem gewaltigen Ansturm in den Jahren 259 und 260 den Limes endgültig durchbrachen. Es war den wenigen römischen Truppen nicht mehr möglich, die Stellungen zu halten. Das Jahr 265 brach­te das Ende des Limes. In diesem Jahr eroberten die Ger­manen sämtliche Kastelle der Grenzbefestigung. Bis in die Auvergne stießen die Alamannen vor, während die Kriegszüge der Franken bis nach Spanien reichten. Sämtliche Gebiete rechts des Rheins mußten von den Römern aufgegeben werden. Die Wetterau sowie Oberschwaben vom Bodensee bis zur Iller gingen verloren. Hier machten sich die Alamannen ansäs­sig. In dieser Situation wurde die Grenze des Römischen Reiches auf den Rhein zurückgenommen, die rechtsrheinischen Siedlungen aufge­geben.

Schon mit dem Beginn des 3. Jahrhunderts hatte eine allgemeine Abwande­rung der römischen Siedler eingesetzt, wohl eine Reaktion auf die zuneh­mende Unsicherheit in den Gebieten rechts und links des Rheins. Plünde­rungen und Straßenraub waren an der Tagesordnung und beeinträchtigten das Wirtschaftsleben. So lagen auch die Gutshöfe rechts des Rheins längst brach, als Franken und Alamannen hier die Herrschaft übernahmen.

Um die neue Grenze zu sichern, wurden von den Römern in den folgen­den Jahren die Festungssysteme am linken Rheinufer ausgebaut. Die Städte Ri­gomagus (Remagen), Antunnacum (Andernach), Confluentes (Koblenz), Bodobrica (Boppard) und Bingium (Bingen) wurden in die­ses System ein­bezogen. In Boppard prägen die bis zu 9 m hohen Mau­erreste des Kastells noch heute das Stadtbild. Der Name Bodobrica ist erstmals im "Itinerarium Antonini" aufgezeichnet, geht aber wohl auf einen keltischen Ortsnamen zurück. Dieser alte Ort war ein wichti­ger Umschlagplatz; hier wurden Waren auf Schiffe umgeladen, die zur Sicherheit an den Stromschnellen der Loreley vorbei zu Lande transpor­tiert wurden. Die Wichtigkeit dieses Ortes unterstreicht die Größe des hier errichteten Kastells. 28 Rundtürme sicher­ten das 308 x 154 m mes­sende Rechteck aus 3 m dicken Mauern. In den Jahren zwischen 352 bis 355 endete die Nutzung des Kastells. Aber bis in das 12. Jahrhun­dert hinein dienten die Mauern des römischen Kastells als Stadtbefesti­gung.

Die weströmische Herrschaft am Rhein endete endgültig um die Jahre 450/451, als Köln zerstört wurde, und 455, dem Jahr der Zerstörung von Trier.